08 Mai 2020
Die Corona-Krise ist zuallererst eine Tragödie für die Betroffenen. Sie führt aber auch zu massiven Einschränkungen unserer Wirtschaft. Warum trifft es einige Unternehmen härter als andere, obwohl sie ähnlich strukturiert sind und in einem ähnlichen Markt agieren? Ja, es geht auch um Technologie, aber es geht noch um viel mehr.
Solid & Co.
Norbert ist Ende 30 und arbeitet bei Solid & Co, einem relativ großen Unternehmen mit vielen Mitarbeitern in verschiedenen Ländern.
Norberts Arbeitsalltag ist geprägt vom mühseligen Abarbeiten von E-Mails. Diese enthalten meist irgendwelche Zwischenergebnisse, die die Kollegen hin- und herschicken. Eine Abstimmung passiert ebenfalls per E-Mail oder im 2-wöchigen Teammeeting. Dort verteilt der Chef auch die neu anstehenden Aufgaben. Seine persönliche Aufgabenliste hat Norbert in einer Excel-Tabelle digitalisiert, die sehr schnell veraltet ist. Spätestens bei jedem Teammeeting aktualisiert er sie.
Entscheidungen werden in Norberts Organisation überwiegend vom Chef getroffen und per E-Mail oder in den Teammeetings verkündet. Der Chef nutzt die Meetings auch, um über die Entwicklung größerer Initiativen zu informieren. Gelegentlich vertieft Norbert sein Wissen durch die Mitarbeiterzeitung oder das Intranet. Aber das kommt selten vor. Wenn Norbert keine E-Mails abarbeitet, sitzt er in langwierige Meetings. Diese dienen überwiegend dazu, zu verschiedenen Themen ein Meinungsbild zu erheben, welches dann per E-Mail protokolliert und an alle Beteiligten weitergeschickt wird.
Corona-Digitalisierung
Mitte März 2020 wird Norbert wie alle seine Kollegen wegen der Corona bedingten Kontaktsperre ins Homeoffice geschickt. Alle physischen Meetings werden auf Web-Meetings umgestellt oder abgesagt. Zum Glück funktioniert der Zugriff von Zuhause aus. Die letzten Nachzügler werden noch schnell mit kompatibler Technik ausgestattet. Viele sind überrascht, wie gut es dann doch funktioniert, wenn alle damit mal arbeiten müssen.
Allerdings blieben die Meetings so ineffizient wie davor. Zudem explodiert die Anzahl an E-Mails, nicht nur weil alle Pläne geändert werden, sondern auch weil so viele Abstimmungen jetzt per E-Mail stattfinden. Norbert verliert langsam die Kontrolle über seine Inbox. Da die Web-Meetings extrem zäh sind, arbeitet er lieber parallel die E-Mails ab. Sonderlich viel passiert in diesen Meetings sowieso nicht.
Die Anspannung der Kollegen nimmt zu, ebenso die wirtschaftliche Schieflage von Solid & Co. Anscheinend werden viele nötige Anpassungen nicht schnell genug vorgenommen. Die Geschwindigkeit von früher reicht nicht mehr aus. Aber mehr Meetings und Emails gehen einfach nicht.
Virtual Wine
Norbert hat eine langjährige Bekannte aus Studienzeiten, mit der er eine sehr vertrauensvolle Freundschaft pflegt. Ihr Name ist Danielle. Sie ist ebenfalls Mitte 30. Durch die Kontaktbeschränkungen haben sich beide seit ein paar Wochen nicht gesehen. Danielle schreibt Norbert eine Kurznachricht: „Wie wäre es, wenn wir uns heute Abend virtuell zu einem Glas Wein zusammen skypen?“
Danielle hat den Video-Chat am Abend „Virtual Wine“ getauft. Es fühlt sich erstaunlich gut an, im jeweils eigenen Wohnzimmer wieder mal „zusammenzusitzen“. Nach einiger Zeit kommt Norbert auf die schwierige Situation bei Solid & Co zu sprechen, den E-Mails, den Telefonkonferenzen und der allgemeinen wirtschaftlichen Lage. Er möchte wissen, wie es bei Danielle läuft.
Liquid Inc.
Danielle arbeitet bei Liquid Inc., einem Unternehmen ähnlich strukturiert wie Solid & Co. Sie erzählt Norbert, dass sich durch Corona auch vieles bei ihrem Arbeitgeber geändert habe. Einige Geschäftsfelder stehen unter Druck, andere haben allerdings neue Marktlücken identifiziert und sind dabei, sie zu füllen. Es herrscht Aufbruchsstimmung. Viele arbeiten zwar von zuhause, auf die gute Zusammenarbeit hat das aber weniger Auswirkungen.
Morgens loggt sich Danielle als erstes in die Collaboration-Plattform von Liquid Inc. ein. Dort sieht sie alle Team-Aufgaben, welche von ihr bearbeitet werden dürfen und was sonst noch alles ansteht. Wenn eine Aufgabe Input von jemand anderem benötigt, weist sie diese dem Kollegen einfach mit einem Kommentar zu. E-Mails werden dazu nicht mehr geschrieben. Stattdessen wird der Team-Chat genutzt. Sobald Danielle eine Frage eintippt, bekommt sie sehr schnell Antwort, auch mal verschiedene, da die Kollegen unterschiedliche Ideen haben. Zwischenergebnisse werden auch nicht per E-Mail verschickt. Die Plattform sorgt dafür, dass Änderungen an Arbeitsdokumenten automatisch mit den Kollegen synchronisiert werden.
Und die Vielzahl an Web-Meetings? Die gibt es auch nicht, stattdessen trifft sich das Team einmal morgens in einem 15-minütiges Standup und alle zwei Wochen in einer Team-Besprechungen per Web-Meeting. Diese sind primär dazu da, dass sich jeder mal ins Gesicht sieht, wenn auch nur per Webcam. Außerdem stellt der Team-Captain den Zusammenhang mit übergeordneten Initiativen her. Das steigert den Team-Geist und die Energie. Da das Team über mehrere Länder verteilt ist, ist das nichts Neues. Nur die „Virtual Coffees“ und „Virtual Wines“ haben sich erst in den letzten Wochen entwickelt.
Norbert denkt an seine Inbox, seine Meetings und die Langsamkeit von Solid & Co. Er stellt sich vor, wie schnell sich Liquid Inc. auf die Krisensituation eingestellt haben muss. Norbert ist fasziniert, gleichzeitig schießen ihm unzählige Fragen in den Kopf:
- Welche Technik setzt Liquid Inc. für die interne Kommunikationsplattform ein, damit das so gut funktioniert?
- Wie gelingt es, dass in so einem großen Unternehmen alle mitmachen?
- Können Mitarbeiter selber über Zuständigkeiten entscheiden und was sagen da die Chefs dazu?
Nachdenklich und etwas neidisch erkennt Norbert: „Sowas klappt bei uns nie, da wäre ruckzuck Chaos!“
Plattform
Da entgegnet Danielle, dass es anfänglich bei Liquid Inc. auch nicht rund lief: „Als das Thema Zusammenarbeit vor ein paar Jahren auf die Agenda kam, meinte man, alleine durch eine neue Software würde alles besser werden.“ Schnell war die erste Begeisterung vorbei und es wurde auf die Technik geschimpft. Einige konnten sich nicht einloggen und es gab Verbindungsabbrüche. Der Ruf nach einer anderen Software wurde immer lauter.
Nachdem die IT einiges verbessert hatte, wurde erkannt: Das eigentliche Hauptproblem ist gar nicht die Technik. Sie ist für viele Konflikte nur der „Blitzableiter“. Viele haben nicht mitgemacht, weil ihre Arbeitsabläufe es nicht vorsahen oder sie den Mehrwert nicht erkannten. Eine überkommene, ineffiziente Zusammenarbeit kann nicht effizient werden, nur weil eine Software genutzt wird. Es ist viel leichter auf die Technik zu schimpfen, als das eigene Verhalten zu ändern. Eine funktionierende Collaboration-Plattform entsteht aber erst dann, wenn alle mitmachen.
Danielle erinnert sich: „Wären wir von Anfang an etwas strategischer an die Sache heran gegangen, hätten wir viel schneller sein können.“ Eine Software ist schnell installiert, aber es dauert sehr lange, Mitarbeiter neu zu motivieren, wenn erste Versuche fehlschlugen. Erst als der CEO die neue Zusammenarbeit als Teil der Unternehmensstrategie verkündet hatte, wurde eine Strategie entwickelt und es entstand die Collaboration-Plattform, mit der die Mitarbeiter von Liquid Inc. heute arbeitet.
Neue Energie
Das virtuelle Treffen ging dem Ende entgegen, aber Danielles Erzählung hatte Norbert Mut gemacht. In ihm wächst das Bedürfnis, etwas bei Solid & Co zu verändern. Wie groß mag das ungenutzte Potential wohl sein? Und wie geht man am besten vor, um die Transformation zu initiieren? Auch nach dem Gespräch bleiben Norberts Gedanken bei dem Thema. Am nächsten Morgen legt er los.
Anmerkungen des Autors
Diese kurze Geschichte habe ich geschrieben, da ich davon überzeugt bin, dass bei den meisten Unternehmen das Potential von Kommunikations- und Collaboration-Plattformen nicht ausgeschöpft ist. Diese Überzeugung hat mich dazu bewegt, 2019 das Unternehmen entrusted zu gründen.